Start für bioliq® Projektstufe II am KIT - Vertragunterzeichnung zur Vergaserstufe

Das mehrstufige bioliq®-Verfahren ermöglicht es, aus Stroh und anderen land- und forstwirtschaftlichen Reststoffen vollsynthetischen Diesel- oder Ottokraftstoff herzustellen, dessen Qualität über der anderer Biokraftstoffe und selbst der Mineralölprodukte liegt.

Synthesekraftstoffe, auch BtL-Kraftstoffe genannt (Biomass to Liquids), verringern die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen, reduzieren die Menge an gesundheits- und klimaschädlichen Verbrennungsrückständen und führen nicht zu einer Erhöhung des Kohlendioxid (CO2 )-Gehaltes in der Atmosphäre, d.h. sie sind CO2-neutral. Das im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelte und nun gemeinsam mit Lurgi technisch umzusetzende bioliq®-Verfahren wird dem regionalen Aufkommen von Biomasse mit ihrem meist niedrigen Energieinhalt gerecht und ermöglicht zugleich eine großtechnische und damit wirtschaftliche Erzeugung von Kraftstoffen.

In einem dezentralen ersten Schritt wird die Biomasse durch eine so genannte Schnellpyrolyse in ein transportfähiges flüssiges Zwischenprodukt hoher Energiedichte (bioliqSynCrude®) umgewandelt, das wirtschaftlich über weite Strecken in Großanlagen zur Synthesegas- und Kraftstofferzeugung transportiert wird. Die als erste Baustufe bereits errichtete Pilot-Anlage zur Schnellpyrolyse am KIT befindet sich derzeit im Anfahrbetrieb.

Nun wird der zweite Schritt des bioliq®-Verfahrens, die Synthesegaserzeugung aus dem Zwischenprodukt bioliqSynCrude® umgesetzt. Die Forschungszentrum Karlsruhe GmbH und die Lurgi GmbH, ein führendes Unternehmen in der Verfahrenstechnik und im Anlagenbau, schließen die Verträge zur Errichtung und zum gemeinsamen Betrieb des Flugstromvergasers. Die Investition für die Synthesegaserzeugung wird zu 50 Prozent aus den Mitteln des Förderprogramms Nachwachsende Rohstoffe des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), vertreten durch die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR), unterstützt und zu jeweils 25 Prozent von den Vertragspartnern Forschungszentrum und Lurgi getragen. Die Vertragsunterzeichnung findet im Beisein von Vertretern des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg statt. Das Land Baden-Württemberg unterstützt die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zum Prozess maßgeblich.

Das Verfahrensprinzip des eingesetzten Flugstromvergasers beruht auf der von Lurgi entwickelten MPG-Technologie (Multi-Purpose-Gasifier), die bisher vor allem für Rückstände aus der Erdölverarbeitung eingesetzt wurde und nun an die Erfordernisse des bioliq®-Verfahrens angepasst wird. Der geplante Flugstromvergaser ist für eine thermische Leistung von 5 MW ausgelegt. Dies entspricht einem Durchsatz von etwa 1 t bioliqSynCrude® pro Stunde. Die Planungs- und Bauzeit der Anlage wird voraussichtlich 34 Monate in Anspruch nehmen. Die Inbetriebnahme des Vergasers ist im Herbst 2011 geplant. Eine nachgeschaltete Gasaufbereitung und Synthese soll die Pilotanlage bis 2012 als dritte Baustufe vervollständigen.

Technischer Hintergrund

Haupteinsatzstoff für das Verfahren ist trockene Biomasse wie Getreidestroh, Heu, Restholz, Rinde oder Landschaftspflegegut. Diese breite Palette land- und forstwirtschaftlicher Reststoffe sowie die Möglichkeit ganze Pflanzen zu nutzen, eröffnen ein Mengenpotenzial weit über dem der Biokraftstoffe der ersten Generation, Biodiesel und Bioethanol. Nach Angaben der FNR könnten durch die mit bioliq® erzeugten Kraftstoffe bis 2015 schon 15 Prozent des Bedarfs für den Verkehr in Deutschland gedeckt werden. Dabei besteht keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Durch eine entsprechende Synthese lassen sich BtL-Kraftstoffe leicht an jetzige und künftige Emissionsstandards und Motorentechniken anpassen.

Allerdings haben die genannten organischen Einsatzstoffe sehr geringe Energiedichten und können deshalb wirtschaftlich nur über kurze Distanzen transportiert werden. Daher wird zunächst in dezentralen Schnellpyrolyse-Anlagen, zu denen die Biomasseerzeuger nur bis zu 25 Kilometer fahren müssen, eine flüssige Suspension (bioSynCrude®) bestehend aus Pyrolyseöl und Pyrolysekoks erzeugt.

In einer zentralen Anlage zur Synthesegas- und Kraftstofferzeugung wird das bioliqSynCrude® auf rund 80 Grad Celsius vorgewärmt, auf Druck gebracht und durch das Vergasungsmedium Sauerstoff im Flugstromvergaser zerstäubt. Die Umsetzung zu Synthesegas geschieht bei Temperaturen oberhalb von 1200 Grad Celsius und einem Druck bis zu 80 bar. Der am Forschungszentrum Karlsruhe zu errichtende bioliq®-Vergaser wird über einen Kühlschirm zur Kontrolle des Schlackeflusses verfügen. Die modulare Bauweise des Flugstromvergasers ermöglicht die Anpassung der Vergasergeometrie an die strömungs- und reaktionstechnischen Erfordernisse des Vergasungsprozesses. Der bioliq®-Pilotvergaser ist mit aufwändiger Messtechnik ausgestattet, so dass sich aussagekräftige Daten zur Bewertung und Optimierung der Vergaserstufe ermitteln lassen.

Im dritten Schritt wird das unter hohem Druck entstandene Synthesegas über mehrere Prozessschritte gereinigt und der nachgeschalteten Synthesestufe zugeleitet. Eine kostenaufwändige Zwischenkompression des Gases erübrigt sich damit. Aus dem Synthesegas lassen sich Synthesekraftstoffe, aber auch viele wichtige chemische Grundstoffe erzeugen. Diese Kraftstoffe sind reiner, umweltverträglicher und leistungsstärker als erdölstämmige Kraftstoffe und lassen sich präzise auf Anforderungen der Automobilhersteller und auf die strenger werdenden Abgas-Normen hin abstimmen.

Die Verarbeitungskosten der Biomasse für den High-Tech-Kraftstoff werden voraussichtlich um 50 Eurocent betragen; dazu kommen Kosten für die Biomasse, die derzeit in der gleichen Größenordnung liegen. Der Preis für einen Liter High-Tech-Kraftstoff würde damit um einen Euro liegen.

Die bioliq®-Anlage ist im Jahr 2009 eine der ausgewählten 365 Orte im "Land der Ideen", eines bundesweiten Wettbewerbs unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten.

Im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) schließen sich das Forschungszentrum Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft und die Universität Karlsruhe zusammen. Damit wird eine Einrichtung international herausragender Forschung und Lehre in den Natur- und Ingenieurwissenschaften aufgebaut. Im KIT arbeiten insgesamt 8000 Beschäftigte mit einem jährlichen Budget von 700 Millionen Euro. Das KIT baut auf das Wissensdreieck Forschung - Lehre - Innovation.

Die Karlsruher Einrichtung ist ein führendes europäisches Energieforschungszentrum. KIT setzt neue Maßstäbe in der Lehre und Nachwuchsförderung und zieht Spitzenwissenschaftler aus aller Welt an. Zudem ist das KIT ein führender Innovationspartner für die Wirtschaft.

Donnerstag, 4. Dezember 2008
Quelle: idw/KIT