Münster/Saarbrücken: Einen Reichweitenrekord mit Autogas haben Wissenschaftler der Saarbrücker Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) aufgestellt. Erst nach 1365,5 Kilometern waren die Tanks des Versuchsfahrzeugs Peugeot 5008 leer – eine Strecke, die exakt von Saarbrücken nach Neapel reicht, oder von Münster ohne Fähre nach Stockholm. Damit wurde selbst die Reichweite von Dieselfahrzeugen bei weitem übertroffen.
Entscheidend dabei: Den gesamten Innenraum des Siebensitzers ließen die Entwickler unangetastet. Und der Rekord wurde ausschließlich auf öffentlichen Straßen – einem Mix aus Autobahnen, Landstraßen und Ortsdurchfahrten – zu ganz normalen Zeiten gefahren. Am Steuer waren zudem zwölf verschiedene Fahrer. 120 Liter Tankvolumen ergaben einen Verbrauch von 8,8 Litern Autogas pro 100 Kilometer. Bei aktuellen LPG-Preisen um 80 Ct. errechnen sich hieraus Kraftstoffkosten von nur 96,13 Euro. Es wurde auch in diesem Projekt eine CO2-Einsparung von der fossilen Quelle bis zur Verbrennung im Fahrzeug – Well to Whell (WTW) – von etwa 20 Prozent realisiert. Im direkten Vergleich zum Serien-Benzinfahrzeug wurden durch die Gasumrüstung der HTW auf der Versuchsfahrt über 1365 km rund 60 kg CO2-Emissionen (WTW) eingespart.
Das Projekt S1000plus des Instituts Automotive Powertrain unter der Leitung der Professoren Dr.-Ing. Thomas Heinze und Dr.-Ing. Harald Altjohann war sehr ambitioniert, handelt es sich doch bei der Großraumlimousine um einen modernen Direkteinspritzer, für den kein Hersteller von Gassystemen eine Umrüstlösung anbieten konnte. Eine Autogas-Saugrohreinspritzung – wie sie einige Umrüster anbieten – kam für Prof. Heinze nicht in Frage. Es wäre für ihn ein technischer Rückschritt gewesen. Entsprechend waren neue Herausforderungen zu meistern, die in der Entwicklung eines eigenen Autogas-Systems mündeten. Im Projektnamen steht „s“ für Strecke, 1000 für die zunächst angepeilten 1000 Kilometer und plus für „es darf auch etwas mehr sein.“
Das Versuchsfahrzeug fährt monovalent, also auch in der Startphase mit Autogas. Das erlaubte eine Optimierung der Motorsteuerung auf Deutschlands Alternativkraftstoff Nr. 1, der mit 107 Oktan eine deutlich höhere Klopffestigkeit als Benzin aufweist. Auch die Getriebeübersetzung in den Gängen 4 bis 6 konnte an den höheren Wirkungsgrad angepasst werden, was sich positiv auf den Verbrauch auswirkt. So wurde zum Beispiel im 6. Gang bei gleicher Geschwindigkeit eine Drehzahlverringerung von 17 Prozent erreicht.
Größte Schwierigkeit im Projekt war die Dampfblasenbildung bei heißem Motor. Sie wurde mit einer eigenen und zum Patent angemeldeten Kühlung für die serienmäßige Kraftstoff-Hochdruckpumpe gelöst. Damit ist es möglich, auch direkteinspritzende Benziner zum Beispiel der Marken BMW, Mercedes und Peugeot/Citroen auf LPG-Direkteinspritzung nachzurüsten.
Ein besonderes Augenmerk lag auf der Verbindung der drei Kraftstofftanks, die im Peugeot sämtlich unterflur platziert sind. Mit diesem innovativen Konzept ist es möglich, mehrere Tanks unabhängig voneinander im und unter dem Fahrzeug zu platzieren, um so die Bauräume optimal auszunutzen. Da Autogas unter Druck von ca. 8 bar steht, bedarf es einer umfangreichen Steuerung, um den Kraftstoff zuverlässig und vollständig in den hinteren Tank zu pumpen, von wo aus er zur originalen Hochdruckpumpe am Motorblock gefördert wird. Gleichzeitig gibt es diverse Rücklaufleitungen, über die überschüssiges Autogas in die Tanks zurücktransportiert wird. So entsteht nebenbei ein weiterer Kühleffekt, der der Dampfblasenbildung entgegenwirkt.
Am Montagmorgen hatte der Staatssekretär im Saarländischen Ministerium für Wirtschaft und Verkehr, Jürgen Barke, an der LPG-Betriebstankstelle auf dem HTW-Gelände die Startflagge für die 1000-Kilometer-Tour des Projektes S1000plus gehoben. „Die Entwicklung nachhaltiger Antriebstechniken ist eine der Schlüsseltechnologien der Zukunft. Das Saarland ist mit seinen Hochschulen bundesweit mit an der Spitze von Forschung und Entwicklung. Wir wollen gemeinsam die Mobilität weiterentwickeln und ökologisch voranbringen“, betonte Staatssekretär Barke.
Auf zehn Abschnitten fuhren verschiedene Journalisten von Fach- und Tageszeitungen sowie einem Fernsehsender das Versuchsfahrzeug. Die Strecke führte von Saarbrücken über Hermeskeil zunächst nach Waldesch bei Koblenz. An den nächsten Tagen ging es dann über Königswinter, Bergisch-Gladbach, Mettmann, Hamm, Stukenbrock-Holte, Hannover-Garbsen, Minden und Osnabrück nach Münster. Hier – nach 1030 Kilometern – war der Tank aber längst nicht leer. Der Kraftstoff reichte noch für einen Großteil der Rückfahrt. Erst kurz von Trier wurde der Motorlauf unruhig und Prof. Heinze und Projektleiter Michael Fries ließen den Peugeot ausrollen.